In Belarus ist einer der letzten Anführer der Opposition festgenommen worden, der in dem autoritär regierten Land noch auf freiem Fuß war. Der Anwalt Maxim Snak, Mitglied des oppositionellen Koordinierungsrates, wurde von "maskierten Männern" abgeführt, wie seine Unterstützer am Mittwoch in Minsk mitteilten. Staatschef Alexander Lukaschenko, der durch Massenproteste seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl vor einem Monat unter Druck steht, brachte derweil vorgezogene Neuwahlen ins Spiel.
Oppositionsanwalt Snak wollte am Mittwochmorgen an einer Videokonferenz teilnehmen, tauchte aber nicht auf, wie der Pressedienst des oppositionellen Koordinierungsrates im Onlinedienst Telegram mitteilte. Stattdessen schickte er das Wort "Masken" an seine Mitstreiter. Augenzeugen berichteten demnach, der 39-Jährige sei in der Nähe seines Büros von mehreren Männern in Zivil und mit Masken abgeführt worden. Die Gruppe veröffentlichte auch ein Foto der Festnahme.
Zusammen mit der 72-jährigen Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch war der Rechtsanwalt der letzte Vertreter des Koordinierungsrates, der noch auf freiem Fuß war. Der Koordinierungsrat war eingerichtet worden, um einen friedlichen Machtwechsel in Belarus durchzusetzen. Andere Oppositionsanführer gingen ins Exil oder wurden ebenfalls festgenommen.
Erst am Montag war die Mitstreiterin von Snak im Koordinierungsrat, die bekannte Oppositionelle Maria Kolesnikowa, nach Angaben der Opposition von Unbekannten in Minsk entführt worden. Ihrer Abschiebung in die Ukraine soll sie sich laut Augenzeugen widersetzt haben, indem sie ihren Pass zerriss. Ihr Aufenthaltsort ist derzeit unklar, nach Angaben der belarussischen Behörden ist sie "in Gewahrsam".
Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja, die bereits kurz nach der Präsidentschaftswahl nach Litauen ins Exil gegangen war, rief am Mittwoch die russische Bevölkerung auf, der Propaganda aus Minsk und Moskau nicht zu glauben. Sie dankte denjenigen, die den "Freiheitskampf" der Belarussen unterstützen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Lukaschenko militärische Unterstützung in Aussicht gestellt, sollte sich die Lage in Belarus zuspitzen.
Seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 9. August demonstrieren die Menschen in Belarus gegen den seit 26 Jahren autoritär regierenden Staatschef Lukaschenko. Sie werfen der Regierung massiven Betrug bei der Wahl vor, die Lukaschenko nach offiziellen Angaben mit 80 Prozent der Stimmen gewonnen haben soll. Die belarussischen Sicherheitsbehörden gehen immer wieder massiv gegen die Demonstranten vor. Erst am Sonntag waren bei Protesten mehr als 600 Menschen festgenommen worden - so viele wie noch nie.
Lukaschenko erklärte derweil überraschend, er schließe nicht aus, vorgezogene Neuwahlen auszurufen. Es sei jedoch noch zu früh, ein Datum festzulegen. In einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview mit den russischen Staatsmedien sagte Lukaschenko: "Ich bin geneigt, eine vorgezogene Präsidentschaftswahl durchzuführen. Ich schließe dies nicht aus." Die Wahl solle nach den von ihm vorgeschlagenen Verfassungsreformen stattfinden.
by Von Tatiana KALINOVSKAYA