Wasserburg/Traunstein (Bayern) – Hat eine Chefärztin Kaiserschnitte unterlassen, obwohl sie dringend erforderlich gewesen wären? Die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt gegen eine frühere Leiterin der Gynäkologie, die für den Tod eines Neugeborenen verantwortlich sein soll. Nun wurde die Klinik durchsucht - hier alle Hintergründe:
Die Verdachtsmomente gegen die Ärztin ergaben sich aufgrund von Auffälligkeiten bei Geburten im Klinikum Wasserburg am Inn. Infolgedessen durchsuchten Ermittler die Kliniken in Wasserburg und Rosenheim. "Derzeit gibt es einen Anfangsverdacht wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung in elf Fällen“, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft. Der Bayerische Rundfunk (BR) berichtete zuerst über den Fall. Im Kern der Ermittlungen steht die Frage, ob notwendige Kaiserschnitte nicht durchgeführt wurden. "Es muss geklärt werden, ob eine ordnungsgemäße Aufklärung stattfand und alle entscheidungsrelevanten Faktoren berücksichtigt wurden“, erklärte der Sprecher.
Eine anonyme Anzeige brachte die Ermittlungen ins Rollen. Zeugenaussagen bestätigten die Vorwürfe größtenteils. Bereits 2022 wiesen Mitarbeiter der Klinik intern auf riskante Eingriffe und Fälle von "geschädigten Kindern“ hin. Es gab Streit innerhalb des Personals über die Behandlungsmethoden der Chefärztin. Zu den Fällen wurde Anfang 2023 ein Gutachten erstellt, das laut BR zu dem Schluss kam, es habe keine medizinischen Fehlentscheidungen gegeben. Doch der Rosenheimer Lokalpolitiker Abuzar Erdogan (30, SPD) zweifelt an der Aussagekraft des Gutachtens. Nicht alle Fälle seien untersucht worden, zudem habe der ehemalige Geschäftsführer des Klinikverbundes den Gutachter selbst beauftragt. Teile des Aufsichtsrates hätten das Gutachten nie eingesehen.
Der SPD-Stadtrat sagte gegenüber BILD: "Es ist entscheidend, diese Angelegenheit aufzuklären. Es gibt viele ungeklärte Fragen zum Gutachten. Warum wurden nicht alle Fälle untersucht? Und wer wusste wann von den Vorwürfen?“ Laut BR wurden bei den Durchsuchungen rund 200 Patientenakten sichergestellt, die sich auf Behandlungen zwischen Oktober 2020 und Januar 2023 beziehen. Die Klinikverantwortlichen hätten sich dabei "äußerst kooperativ“ gezeigt.
Eine Sprecherin der RoMed-Kliniken betonte gegenüber BILD, dass sich die Vorwürfe ausschließlich gegen die Ärztin richten und nicht gegen die Klinik. Es seien "verschiedene Behandlungsunterlagen zur Geburtshilfe in Wasserburg“ herausgegeben worden. Zudem erklärte die Sprecherin: "Der Aufsichtsrat wurde unverzüglich über den Vorgang informiert. Der RoMed Klinikverbund wird die Aufarbeitung bestmöglich unterstützen."