Nach Warnungen seiner Ärzte vor einem möglichen Herzstillstand soll der in Russland inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in ein Gefängniskrankenhaus verlegt werden. Die russische Gefängnisbehörde bezeichnete den Zustand des 44-Jährigen trotz aller Warnungen am Montag als "akzeptabel". Während die EU-Außenminister über den Umgang mit Moskau und die Ukraine-Krise berieten, wies der Kreml die Äußerungen westlicher Staaten zum Fall Nawalny als Einmischung in innere Angelegenheiten zurück.
Nawalny, der sich seit drei Wochen im Hungerstreik befindet, werde in ein Krankenhaus für Häftlinge verlegt, teilte die Gefängnisbehörde mit. Er habe der Einnahme von Vitaminen zugestimmt. Vertraute Ärzte des 44-Jährigen, die keinen Zugang zu ihm haben, hatten vor einem Herzstillstand Nawalnys gewarnt.
Nach Angaben seiner Ärzte wurden bei ihm kritische Kaliumwerte festgestellt. Es drohten "jede Minute" eine eingeschränkte Nierenfunktion sowie ernsthafte Herzrhythmusprobleme, hatten sie am Samstag erklärt.
Der Oppositionspolitiker kämpft mit seinem Hungerstreik für eine angemessene medizinische Versorgung. Angaben seiner Unterstützer zufolge klagte er zuletzt unter anderem über heftige Rückenschmerzen und Taubheitsgefühle in Armen und Beinen.
Laut seiner Frau Julia Nawalnaja hatte der 1,89 Meter große Kreml-Kritiker vergangene Woche nur noch 76 Kilogramm gewogen - neun Kilogramm weniger als zu Beginn seines Hungerstreiks und 17 Kilogramm weniger als vor seiner Verlegung ins Straflager in der Kleinstadt Pokrow.
International sorgt der Zustand des Widersachers von Präsident Wladimir Putin für Sorge. Die Bundesregierung nannte dessen Zustand am Montag "beunruhigend". Nawalny benötige "adäquate medizinische Behandlung", sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan warnte Moskau am Sonntag vor "Konsequenzen" im Falle des Todes von Nawalny.
Die Außenminister der 27 EU-Staaten berieten am Montag zu Russland wegen der Situation Nawalnys und der zunehmenden Spannungen an der russischen Grenze zur Ukraine. Vor dem Treffen sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell, die EU mache Russland "für die Gesundheitssituation von Herrn Nawalny verantwortlich".
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte dazu, die Regierung überwache "den Gesundheitszustand russischer Gefangener nicht".
Die Unterstützer des Kreml-Kritikers riefen für Mittwoch zu Demonstrationen in 39 Städten auf. Bei landesweiten Solidaritäts-Kundgebungen für Nawalny waren im Januar und Februar mehr als 11.000 Menschen festgenommen worden.
Die russische Polizei warnte am Montag davor, an den Protesten teilzunehmen. Die Sicherheitsbehörden würden "keine Destabilisierung der Situation zulassen und alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um Recht und Ordnung in den Regionen des Landes aufrechtzuerhalten", hieß es in der Erklärung.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International bemängelte, dass Nawalny trotz der Verlegung keinen Zugang zu "unabhängigen medizinischen Experten seines Vertrauens" habe. "Nawalnys Inhaftierung ist willkürlich und politisch motiviert", kritisierte der Markus N. Beeko von Amnesty Deutschland und forderte dessen sofortige Freilassung.
Er verurteilte auch den zunehmenden Druck auf Nawalnys Unterstützer in verschiedenen Regionen Russlands und führte Berichte über Festnahmen und Durchsuchungen von Büros an. Die russische Staatsanwaltschaft will auch die Anti-Korruptionsstiftung Nawalnys verbieten lassen.
Nawalny hatte im vergangenen August einen Anschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok überlebt und den Kreml für den Angriff verantwortlich gemacht. Nach seiner Behandlung und Genesung in der Berliner Charité wurde er nach seiner Rückkehr im Januar festgenommen und zu zweieinhalb Jahren Haft im Straflager verurteilt.
by Handout