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Koalition will weichere Ausgangssperre und strengere Regeln für Schulen

Fraktionen vereinbaren Änderungen an Bundes-Notbremse

An der geplanten bundeseinheitlichen Corona-Notbremse gibt es auf den letzten Metern noch zahlreiche Änderungen. Die Koalitionsfraktionen verständigten sich bis zum Montag unter anderem darauf, die Ausgangssperre lockerer zu handhaben und den Präsenzunterricht in Schulen früher einzuschränken. Der Gesetzentwurf sei nunmehr "widerspruchsfrei und verfassungsfest", befand der CDU-Rechtspolitiker Jan-Marco Luczak. Der AfD sind die Pläne zu weitgehend, die Linke findet sie "zu lasch".

Die Koalitionsfraktionen zurrten die Änderungen am Montagvormittag fest; am Nachmittag waren sie Thema im Gesundheitsausschuss. Die umstrittene nächtliche Ausgangssperre bei hohen Inzidenzen soll erst um 22.00 Uhr statt 21.00 Uhr beginnen, wie aus dem Änderungsantrag hervorgeht, der der Nachrichtenagentur AFP vorliegt. Noch bis 24.00 Uhr wird demnach erlaubt, alleine zu joggen oder spazieren zu gehen.

Auf diese Änderungen einigten sich Union und SPD "nach hartem Ringen am Wochenende", wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte. Nun sei "etwas Angemessenes" vereinbart worden.

Die vielfach als zu hoch kritisierte Schwelle für das Ende des Präsenzunterrichts in Schulen wird dem Änderungsantrag zufolge herabgesetzt. Schon ab einer Inzidenz von 100 soll Wechselunterricht vorgeschrieben werden, ab 165 ist nur noch Distanzunterricht erlaubt. Zuvor war die Schwelle dafür auf 200 gelegt worden.

Verabredet wurden auch Erleichterungen für den Einzelhandel. Dieser soll - mit Ausnahme von Läden des täglichen Bedarfs wie etwa Supermärkte - zwar bei einer Inzidenz von 100 schließen. Vorgesehen ist nun aber, auch bei höheren Inzidenzen Shoppen mit Termin sowie Abholung bestellter Waren zu erlauben.

Rechtsverordnungen des Bundes für zusätzliche Eindämmungsmaßnahmen sollen nur mit aktiver Zustimmung des Bundestags möglich sein. Explizit soll zudem die Bundesregierung ermächtigt werden, per Verordnung Erleichterungen für Geimpfte und Menschen mit negativem Corona-Test festzulegen.

"Wir haben das Infektionsschutzgesetz in den letzten Tagen widerspruchsfrei und verfassungsfest gemacht", sagte der CDU-Rechtsexperte Luczak dem "Handelsblatt". "Uns war wichtig, dass die Maßnahmen effektiv zur Pandemiebekämpfung beitragen und gleichzeitig von den Menschen akzeptiert und damit auch befolgt werden."

Kritik kam von der Opposition. Die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sagte in Berlin, ihre Partei stehe zu der Idee einer bundeseinheitlichen Pandemiebekämpfung. Die Vorlage der Koalition sei aber "zu lasch und zu einseitig". Insbesondere die Wirtschaft werde nicht genug herangezogen.

FDP-Fraktionsvize Katja Suding bezeichnete die vorgesehenen Schulschließungen als "völlig fatales Signal" an Kinder und Eltern. "Mit Luftfiltergeräten, Masken und bestenfalls täglichen Tests kann sicherer Präsenzunterricht stattfinden", befand sie.

AfD-Bundesvize Stephan Brandner erklärte, auch mit den Änderungen der Koalitionsfraktionen sei die Gesetzesvorlage "aus vollem Herzen abzulehnen". Er monierte einen "massiven Angriff auf den Föderalismus" und "inakzeptable Grundrechtseingriffe", ohne allerdings Gegenvorschläge zu machen.

Die Bundes-Notbremse soll am Mittwoch vom Bundestag und am Donnerstag vom Bundesrat beschlossen werden. Derweil bleibt die Corona-Lage angespannt. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg am Montag auf 165,3. Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte in Berlin, die dritte Welle habe Deutschland "fest im Griff". Es dürfe nichts unversucht bleiben. "Wir alle haben es jetzt in der Hand, etwas zu tun", betonte Demmer.

by Von Christina NEUHAUS