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Gloria von Thurn und Taxis: Die unberechenbare Fürstin wird 60

Ein Elefant im Porzellanladen?

Sie ist Deutschlands bekannteste Adlige. Mariae Gloria Prinzessin von Thurn und Taxis, berühmt als “Bayerns Gloria”, “Punker-Fürstin”, “Pop-Aristokratin” oder “Prinzessin TNT”, wobei mit TNT wohl weniger das Kürzel für das Imperium Thurn und Taxis gemeint ist, sondern eher der Sprengstoff. So kennt man sie seit einigen Jahrzehnten.

Für Rock und Pop interessiert sie sich nur mehr am Rande und posaunt stattdessen ihre plastischen Überzeugungen in Sachen Religion, Sexualität, Politik, Klimawandel und mehr in die Welt. Am Sonntag, den 23. Februar, wird Fürstin Gloria, von Haus aus eine Ikone der jugendlichen Unberechenbarkeit, 60 Jahre alt.

Da ist man versucht, an den 60. Geburtstag ihres längst verstorbenen Gemahls Fürst Johannes von Thurn und Taxis (1926-1990) zu erinnern. Das war anno 1986. Gloria, damals 26 Jahre jung, ließ eine selbstkreierte Torte auffahren, die mit 60 Penissen aus Marzipan verziert war.

2018 erklärte sie ihr Geschenk in einem “Spiegel”-Interview mit einer Art theologischem Manifest: “Wir sind katholisch. Die katholische Religion feiert den Sexualakt. Die Schöpfung Gottes manifestiert sich in der geschlechtlichen Vereinigung. Die Prokreation, also die Fortpflanzung, ist das Heiligste überhaupt.”

Was die eigene heilige Prokreation anbelangt, war Gloria zu diesem Zeitpunkt ihrem Mann eine sehr erfolgreiche Gattin, weil dreifache Mutter. Sie hatte ihm bereits zwei Töchter und 1983 den erhofften männlichen Erben geboren. Damit war sie ihrer dynastischen und lebensanschaulichen Verantwortung mehr als gerecht geworden.

Die gebürtige Gräfin von Schönburg-Glauchau entstammt wie ihr Mann einem streng katholischen Haus. Ihr Vater Joachim Graf von Schönburg-Glauchau (1929-1998) kommt aus einem sächsischen Geschlecht, das in der DDR enteignet worden war. Er muss also wie jeder Normalsterbliche Geld verdienen und geht 1965 als Journalist im Auftrag des Außenministeriums mit seiner Familie nach Somalia und Togo, um dort den Rundfunk aufzubauen. Gloria und ihre Geschwister verbringen fünf Jahre ihrer Kindheit in Afrika.

Sie ist kein verwöhntes, abgehobenes Adelskind, als sie 1979 im Münchner “Café Reitschule” ihren späteren Mann, den fast 34 Jahre älteren Johannes von Thurn und Taxis, kennenlernt, sondern eine hübsche, lebenshungrige und unverstellte 19-Jährige. Ein neugieriges, schlagfertiges Mädchen, das, wie man seinerzeit zu sagen pflegt, das Herz am rechten Fleck hat. Ein Jahr darauf wird Hochzeit gefeiert, dann kommen auch schon die Kinder.

“Mein Mann war mir sehr ähnlich, er war auch auf der Flucht vor sich selbst. Er hat gehofft, in mir Halt zu finden, und ich in ihm. Bald merkte ich, dass ich die Stärkere bin und auf ihn aufpassen muss”, sagt sie 2017 dem “Zeit-Magazin”. Doch nicht alles läuft rund in der Ehe. Nach der Geburt des Sohnes hat sie gehofft, “dass wir als Familie jetzt alles gemeinsam machen”. Aber ihr Mann zieht wieder mit seinen Freunden los.

Sie hat dann angefangen, ihr eigenes Jetset-Leben zu führen. Schrill, extravagant, bisweilen schockierend. Sie wird die berühmte Punk-Prinzessin, trägt – je nach Auftritt – Rokokokleider oder ein Kettenhemd von Paco Rabanne, feiert in München, London, Paris, New York. Mit Mick Jagger, Prince oder Michael Jackson, auch mit Drogen. “Mein Gott, ich hab alles probiert”, sagt sie dem “Spiegel”. Dann wird ihr Mann schwer krank. Nach zwei Herztransplantationen stirbt er 1990 mit 64 Jahren.

Seine Witwe schlüpft in eine neue Rolle: Sie wird Unternehmerin. Das US-Wirtschaftsmagazin “Business Week” wählt sie einst zur “zehntbesten Finanzmanagerin”. Die Punk-Phase ist endgültig vorbei. Gloria trägt Bubikopf und keine aufragenden Haartürme mehr. Sie schreibt Bücher, u.a. mit Alessandra Borghese und Kardinal Meisner, malt Prominente gegen Honorar (Moritz Bleibtreu, Claudia Schiffer, Wolfgang Joop) und nimmt Auszeichnungen entgegen (Verdienstkreuz 1. Klasse, Bayerischer Verdienstorden, Komturdame des Päpstlichen Ordens des heiligen Gregor des Großen).

Sie tanzt nicht mehr mit Rockstars auf Tischen, sondern engagiert sich sozial z.B. bei der Bayerischen Stiftung Hospiz. Sie verkehrt mit Geistlichen, mit Bischöfen, Kardinälen und Päpsten. Nur manchmal gönnt sie sich eine kleine äußerliche Exzentrik, etwa wenn sie auf ihrer Harley zum Gottesdienst fährt.

Dafür strotzen ihre flammenden Glaubensbekenntnisse nur so von ultrakonservativer Verschrobenheit. So findet die Fürstin etwa Kondomautomaten an Schulen “ziemlich daneben”. Die hätten dort ebenso wenig verloren wie Zigaretten- oder “Haschischautomaten”. Die Teenager “sollen lieber Tennis spielen”, sagt sie 2012 in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz (50). Die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals bei den Regensburger Domspatzen hält sie 2017 für “totalen Schmarrn”. In der Klimadebatte spricht sie 2019 bei einer Veranstaltung mit Vertretern der Forstwissenschaften von “systematischer Irreführung”.

Es ist kein Wunder, dass das Modemagazin “Vogue” in Gloria von Thurn und Taxis “eine der wenigen wahren Exzentrikerinnen” sieht, “die Deutschland hervorgebracht hat. Hochgezogene Augenbrauen ignorierte sie mit einer Nonchalance, die ihresgleichen suchte”.

Sie selbst sagt im “Zeit-Magazin” von 2017, das Schwierige im Leben habe sie geprägt: “Die Krankheit meines Mannes, der Tod, die Einsamkeit, die wirtschaftlichen Probleme und die menschlichen Enttäuschungen. Ich bin auch sehr zynisch geworden, aber ich habe Freude am Leben und bin neugierig auf die Menschen. Eigentlich finde ich, dass ich mich gar nicht verändert habe. Ich bin zurückhaltender geworden, aber vom Charakter her bin ich immer noch draufgängerisch.”

Im berühmten Fragebogen der “FAZ” hat sie einmal auf die Frage “Was möchten Sie sein?” geantwortet: “Ein Elefant im Porzellanladen.” Das mag im Kern ihr Wesen erklären, und man kann wohl ohne Übertreibung behaupten, dass sie sich diesen Wunsch eindrucksvoll erfüllt hat.

(ln/spot)

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