Eine Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und China liegt für unbestimmte Zeit auf Eis. Führende EU-Abgeordnete gingen am Mittwoch nicht davon aus, dass die Bemühungen Brüssels um eine Ratifizierung des Investitionsabkommens mit Peking bald wieder aufgenommen würden. Chinas Präsident Xi Jinping habe sich mit den Sanktionen gegen EU-Vertreter wegen Kritik an der Menschenrechtslage in der Volksrepublik "böse verkalkuliert", sagte der China-Experte der Europa-Grünen, Reinhard Bütikofer.
Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, hatte zuvor unter Verweis auf die jüngsten diplomatischen Zerwürfnisse mit China angekündigt, die Ratifizierung des Abkommens vorerst nicht mehr aktiv voranzutreiben. "Wir können den größeren Kontext der Beziehungen zwischen der EU und China nicht ignorieren", sagte er am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Die Beweggründe für das Abkommen, darunter das Sichern von fairen Wettbewerbsbedingungen, seien jedoch "immer noch sehr präsent".
Der Streit zwischen der EU und China war im März eskaliert. Die EU hatte damals Sanktionen gegen vier Partei- und Regionalvertreter der Provinz Xinjiang wegen des Vorgehens gegen die muslimische Minderheit der Uiguren verhängt. Als Reaktion auf die EU-Sanktionen belegte Peking seinerseits EU-Politiker und Wissenschaftler mit Sanktionen, darunter Bütikofer und den CDU-Europaabgeordneten Michael Gahler.
Damit sei klar gewesen, dass "die überwiegende Mehrheit der Fraktionen" im EU-Parlament derzeit keine Ratifizierung wolle, sagte Bütikofer. Die EU-China-Politik stehe nun "vor einer Neubestimmung". Dies sei "auch eine persönliche Blamage" für Präsident Xi. Er habe Europa vergangenes Jahr "zur Chefsache erklärt" und erreiche nun seine Ziele trotz massiver Hilfe von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nicht.
"Das Abkommen ist schon lange im Kühlschrank", sagte auch der Vorsitzende des parlamentarischen Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD). Er sehe "kaum eine Chance", dass sich daran in den kommenden zwei Jahren etwas ändern werde - "insbesondere nicht, solange die Sanktionierung der Kollegen weiterhin gilt".
Der CDU-Abgeordnete Gahler sagte, auch er stehe hinter dem Stopp der Ratifizierung. "Das ist gut." Er vertrete aber weiter die Meinung, dass es wichtig sei, in den wirtschaftlichen Beziehungen mit China "einen Rahmen zu setzen", damit europäische Firmen auf dem chinesischen Markt gleiche Wettbewerbschancen hätten.
Nach mehrjährigen Verhandlungen hatten sich die EU und China am 30. Dezember 2020 im Grundsatz auf das Investitionsabkommen geeinigt - kurz vor dem Ende der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hatte das Abkommen damals als "handelspolitischen Meilenstein" bezeichnet. Zuspruch kam auch von der deutschen Automobilindustrie.
Das Abkommen soll Unternehmen beider Seiten stabile Rahmenbedingungen für Handel und Investitionen im jeweils anderen Markt garantieren. Unter anderem wegen der Situation in Hongkong und weiterer Vorwürfe hinsichtlich der Menschenrechte in China wurde das Vorhaben jedoch scharf kritisiert. Sowohl die vorherige als auch die aktuelle US-Regierung waren dagegen.
by Aris Oikonomou