Die Bundesregierung sieht in der Verschärfung der EU-Klimaziele bis 2030 einen wichtigen Erfolg. Zurückhaltender waren am Mittwoch die Reaktionen von Umweltverbänden, denen die Brüsseler Beschlüsse nicht weit genug gehen. Ein gemischtes Stimmungsbild gab es von Seiten der Wirtschaft.
"Wir haben mit klaren, langfristigen Zielsetzungen jetzt die einmalige Chance, Klimaschutz und Wirtschaft gemeinsam voranzubringen und zu versöhnen", erklärte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). "Wir können mit Investitionen in Innovationen und neue saubere Technologien Arbeitsplätze sichern und neue schaffen."
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nannte das Gesetz "mehr als nur richtungsweisend". Für Deutschland bedeute der Beschluss, "dass auch wir unser Tempo beim Klimaschutz deutlich erhöhen werden". Der Ausbau von Sonnen- und Windkraft müsse beschleunigt werden, der Kohleausstieg werde "schneller kommen als bisher geplant". Am Dienstag hatte Schulze die Erwartung geäußert, dass bis 2030 die letzten Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen dürften.
Die EU-Staaten und das Europaparlament hatten sich in der Nacht zuvor auf ein verbindliches Gesetz für Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 verständigt. Bis 2030 wurde als Zwischenziel eine CO2-Minderung um netto mindestens 55 Prozent vereinbart. Bislang hatte sich die EU nur zu einer Reduzierung um 40 Prozent bis 2030 verglichen mit dem Stand von 1990 verpflichtet. Das Europaparlament hatte eine Minderung um 60 Prozent gefordert.
Die Beschlüsse wiesen "in die richtige Richtung, blieben aber "hinter den Möglichkeiten der EU zurück", erklärte der Präsident des Deutschen Naturschutzrings (DNR), Kai Niebert. Er wies darauf hin, dass in die Treibhausgasbilanz auch die CO2-Minderung durch Wälder oder Moore eingerechnet werden soll. Die effektive Emissionsminderung betrage damit nur rund 53 Prozent.
"Die EU setzt auf Buchungstricks, statt die Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich auf null zu senken", kritisierte Greenpeace-Klimaexpertin Lisa Göldner. Sie wies gegenüber der Nachrichtenagentur AFP darauf hin, dass aus wissenschaftlicher Sicht eine CO2-Minderung um 65 Prozent bis 2030 erforderlich wäre. Von einem "weichgespülten Kompromiss" sprach WWF-Klimaexpertin Viviane Raddatz.
Zwar bedeuteten die neuen Beschlüsse "ungefähr eine Verdopplung des Klimaschutz-Tempos im Vergleich zum bisherigen EU-Ziel", erklärte der Politische Geschäftsführer von Germanwatch, Christoph Bals. Für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels gemäß dem Pariser Klimaschutzabkommen sei dies jedoch zu wenig.
Aus der Wirtschaft kam Unterstützung für die neuen Ziele, aber auch die Forderung nach Schutz vor Nachteilen im internationalen Wettbewerb. Es komme nun "auf eine faire Lastenteilung" an, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup. Mehr Unterstützung für eine Umstellung auf klimafreundlichere Verfahren forderte die Wirtschaftsvereinigung Stahl.
Als "ambitionierten, aber notwendigen Schritt" kommentierte der Maschinenbau-Verband VDMA die EU-Beschlüsse. Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann pochte aber auf Technologieoffenheit beim Klimaschutz. Mehr Anstrengungen für den Ausbau erneuerbarer Energien verlangte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU).
Die Grünen-Klimaexpertin Lisa Badum warf der Bundesregierung und hier besonders Altmaier vor, ein ehrgeizigeres Klimaziel in den EU-Verhandlungen verhindert zu haben. Mehr Offenheit auch für CO2-Speicherung forderte FDP-Fraktionsvize Frank Sitta.
by Ina FASSBENDER