Die EU-Kommission will die Abhängigkeit der europäischen Wirtschaft vom Weltmarkt verringern. Die Corona-Pandemie habe die Notwendigkeit aufgezeigt, "strategische Abhängigkeiten - sowohl technologischer als auch industrieller Art - zu analysieren und anzugehen", erklärte die Brüsseler Behörde zu ihrer überarbeiteten Industriestrategie am Mittwoch. Außerdem will die Kommission verhindern, dass bei künftigen Krisen die Freizügigkeit im EU-Binnenmarkt erneut stark eingeschränkt wird.
Die Analyse von Handelsdaten zeige, dass rund sechs Prozent der EU-Importe für "sensible Ökosysteme" bestimmt sind, "von denen die EU in hohem Maße abhängig ist", erklärte die Kommission. Dies betrifft demnach besonders Rohstoffe zur Energieproduktion sowie pharmazeutische Inhaltsstoffe. Auch Produkte für Innovationen für den "grünen und digitalen Wandel" und allgemein im Bereich der "Spitzentechnologien" kommen demnach zu häufig aus dem Ausland.
Brüssel werde diese Analysen weiter ausbauen, um die internationalen Lieferketten zu diversifizieren und die heimische Produktion zu fördern, erklärte die Behörde weiter. "Das erfordert jetzt neue Investitionen", erklärte die Kommissionsvizepräsidentin Margrethe Vestager.
Breiter fördern will Brüssel grenzüberschreitende Allianzen für innovative Technologien in Europa. Vorbild ist die Batterie-Allianz, die Europas Autohersteller bei den Stromspeichern für Elektrofahrzeuge unabhängiger von Anbietern aus Asien machen soll.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) begrüßte diese Ankündigungen als "wegweisendes Gesamtpaket für eine zukunftsgerichtete europäische Industriepolitik". "Gezielte Investitionsanreize" für europäische Zukunftsprojekt seien der richtige Weg. Für Deutschland "stehen hierbei im Mittelpunkt: die Stahl- und die Wasserstoff-Produktion".
Die Kommission hatte im März 2020 ihre neue Industriestrategie vorgestellt - einen Tag, bevor die Weltgesundheitsorganisation WHO die Verbreitung des Coronavirus als Pandemie einstufte. Im Zuge der Corona-Krise verschoben sich dann die Prioritäten. Besonders zu Beginn der Pandemie brachten ausbleibende Importe aus China die europäische Industrie in Schwierigkeiten. Spätestens mit Beginn der Impfkampagnen wurden auch Probleme beim Import von Pharma-Wirkstoffen offensichtlich.
Innerhalb Europas sorgten außerdem unabgesprochene Grenzschließungen vielerorts für Verzögerungen im Warenverkehr und teilweise für leere Regale in Supermärkten. Hier will die Kommission Anfang 2022 ein Notinstrument zur besseren Abstimmung des Vorgehens der Mitgliedstaaten vorstellen. Brüssel wolle außerdem bestehende Regeln besser durchsetzen, "damit die Mitgliedstaaten ihren bestehenden Verpflichtungen nachkommen". Dazu gehört demnach etwa, einseitige Maßnahmen zumindest zeitig anzukündigen.
by RONNY HARTMANN