Nach einer fast einjährigen Hängepartie hat die CDU ihre offene Führungsfrage geklärt: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet setzte sich auf dem digitalen Parteitag am Samstag gegen den früheren Unionsfraktionschef Friedrich Merz durch, der damit auch mit seiner zweiten Kandidatur für den CDU-Vorsitz scheiterte. Merz sorgte nach seiner Niederlage für eine Überraschung: Über Twitter machte er bekannt, dass er Laschet angeboten habe, als Bundeswirtschaftsminister ins Kabinett einzutreten.
Mit Laschets Wahl setzt die CDU auf Kontinuität. In seiner Bewerbungsrede hatte sich der 59-Jährige als Mann des Ausgleichs präsentiert, der als Chef der Bundes-CDU den Kurs der Mitte fortsetzen wolle. Damit setzte Laschet sich deutlich von seinem Mitbewerber Merz ab, der sich den Delegierten mit seiner Bereitschaft zur notfalls auch kämpferischen politischen Auseinandersetzung empfohlen hatte.
Der dritte Bewerber, Norbert Röttgen, war bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden. In der Stichwahl erhielt Laschet 521 Stimmen, für Merz votierten 466 Delegierte.
“Ich höre immer wieder den Satz: Man muss auch polarisieren können”, sagte Laschet in seiner Bewerbungsrede für den Parteivorsitz. “Ich sage: Nein, das muss man nicht. Polarisieren ist einfach, das kann jeder.” Er wolle “integrieren, die Gesellschaft zusammenhalten”. Zu seinem Rollenverständnis als CDU-Chef sagte Laschet, die Partei “braucht keinen Vorstandsvorsitzenden, sondern einen Mannschaftskapitän”.
Laschets unterlegener Kandidat Merz brachte sich nach seiner Niederlage als neuer Wirtschaftsminister ins Gespräch. Er habe Laschet “angeboten, in die jetzige Bundesregierung einzutreten und das Wirtschaftsministerium zu übernehmen”, schrieb Merz im Kurzbotschaftendienst Twitter.
Ein Regierungssprecher teilte aber umgehend mit, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) keine Kabinettsumbildung plane. Über einen möglichen Wechsel von Merz ins Kabinett hätte nicht Laschet alleine zu entscheiden. Zudem gibt es mit Peter Altmaier (CDU) bereits einen Bundeswirtschaftsminister, von dem keine Rücktrittsabsichten bekannt sind.
Merz verzichtete auf eine Kandidatur für ein Parteiamt. Für das CDU-Präsidium habe er nicht kandidieren wollen, da bei einer Bewerbung “noch weniger Frauen gewählt” worden wären, schrieb Merz auf Twitter.
Der unterlegene Bewerber Röttgen hingegen ließ sich ins Präsidium wählen. In seiner Bewerbungsrede hatte Röttgen schwerpunktmäßig auf das Thema Zukunftsfähigkeit gesetzt. Die CDU bleibe nur Volkspartei, wenn sie sich verändere: Sie müsse dafür weiblicher, jünger und digitaler werden.
Laschets Wahl muss noch in einer Briefwahl bestätigt werden. In seiner Dankesrede warb er bei den Anhängern seiner Mitbewerber um Unterstützung: “Ich bitte um die Rückendeckung derer, die andere Kandidaten gewählt haben, damit wir wirklich geschlossen in die Bundestagswahl gehen können.” Zu eigenen Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur äußerte sich Laschet nicht.
Merz und Röttgen treten bei der Briefwahl nicht mehr an, die Bestätigung von Laschets Wahl ist deshalb Formsache. Die Briefwahlstimmen sollen am 22. Januar ausgezählt werden.
Der Chef der Schwesterpartei CSU, Markus Söder, suchte umgehend den Schulterschluss mit dem neuen CDU-Chef. “Gemeinsam werden wir die Erfolgsgeschichte der Union fortschreiben”, schrieb Söder auf Twitter.
Der Koalitionspartner SPD gratulierte Laschet zur Wahl. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz erklärte, es sei “gut, dass die Führungsfrage innerhalb der CDU nun erstmal geklärt ist”.
Auch die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck beglückwünschten Laschet – und forderten ihn zu einer Kursklärung auf: “Armin Laschet steht vor der anspruchsvollen Aufgabe, die CDU nach der Ära Merkel neu zu definieren.”
FDP-Chef Christian Lindner erklärte, mit Laschets Wahl habe sich in der CDU “die politische Mitte durchgesetzt”. Lindner verwies darauf, dass Laschets CDU in NRW mit der FDP regiere: “Daran lässt sich im Bund anknüpfen.” Die Linke warf Laschet vor, keinen politischen Kompass zu haben. “Die CDU setzt auf planlos”, erklärte Parteichef Bernd Riexinger.
by Odd ANDERSEN